Strukturen und Ordnung im Chaos Ausstellung im Joho / ZNA

Ab Dezember 2025 präsentiert Fotokunst Dortmund in der Zentralen Notaufnahme des JoHo Dortmund 16 Fotografien zum Thema “Strukturen und Ordnung im Chaos”.Die Künstler Wilfried Werner, Dittmar Graf, Oliver Oster, Ingo Langner und die Künstlerin Anja Sander haben sich dem Thema gewidmet.

 

Chaos zeigt sich in der Fotografie oft als ein Geflecht aus Formen, Farben und Bewegungen, das sich unserer schnellen Wahrnehmung entzieht. Doch gerade im scheinbar Ungeordneten beginnen Linien sich zu wiederholen, Strukturen aufzuleuchten und feine Muster hervorzutreten – manchmal erst beim zweiten Blick, manchmal erst mit innerer Ruhe.
Die gezeigten Bilder fangen diese verborgenen Ordnungen ein: in natürlichen Texturen, kristallinen Fragmenten, flüchtigen Bewegungen oder zufällig entstandenen Formspielen. Unsere Ausstellung lädt dazu ein, dieses schwebende Zwischenreich zu erkunden – ein Raum, in dem sich Struktur und Zufall, Klarheit und Chaos zu einem stillen Dialog verweben.
In der Zentralen Notaufnahme, einem Ort, an dem viele Eindrücke, Menschen und Bewegungen zusammenkommen, kann dieses Thema auf besondere Weise wirken. Ohne etwas zu erklären oder zu bewerten, möchten die Fotografien einen Augenblick des Innehaltens ermöglichen – einen kleinen visuellen Ruhepunkt zwischen all dem, was hier gleichzeitig geschieht. Die Bilder eröffnen einen Blick auf Strukturen, die sich jenseits des Alltags zeigen: in Naturformen, in Bewegungsrhythmen oder in der Ästhetik des Zufälligen.
Vielleicht können sie einen leisen Beitrag zu einer angenehmen Atmosphäre leisten – für Mitarbeitende wie für Wartende, für alle, die hier vorbeikommen, innehalten oder weitergehen.

 

Aufwärts

Fotograf: Dittmar Graf

Auf dem Foto erhebt sich eine schlanke Pyramide aus halbtransparenten Glaskugeln, die sich wie eine Lichtsäule geordnet nach oben schiebt. Sie wächst aus einem Rahmen aus Bäumen, deren Blätter und Äste sich scheinbar chaotisch ineinander verflechten. Gerade in diesem Durcheinander behauptet die klare, regelmäßige Form ihren Platz. Kugel für Kugel fügt sich zu einer stabilen Struktur, die den Blick unweigerlich nach oben lenkt. Das Bild möchte daran erinnern, dass selbst in schwierigen Momenten Ordnung, Orientierung und ein Weg nach vorn möglich sind. „Aufwärts“ steht damit für leise Zuversicht.

Achat

Fotograf: Wilfried Werner

Achate sind gebänderte mikrokristalline Quarze. Sie bestehen chemisch aus Kieselsäure, eine Verbindung aus Silizium und Sauerstoff. Die Eigenfarbe der Achate ist Grau. Durch Beimengungen von Eisen, Mangan, Chrom oder Calcium färben sie sich jedoch oft bunt. Typisch ist die konzentrische Bänderung in wechselnden Farben und Intensitäten. Achate brauchen sehr lange, um sich zu bilden.

Bei diesem Achat verwitterte ein unbekanntes nadelförmiges Mineral und wurde vollständig aufgelöst. Im entstandenen Hohlraum bildete sich der Achat.

In diesem Achat scheinen die Linien und Farbbänder chaotisch ineinanderzulaufen, doch sie folgen der unsichtbaren Ordnung geologischer Rhythmen – jede Schicht ist das Ergebnis eines einzelnen Wachstumsimpulses, der zusammen ein komplexes und zugleich präzise strukturiertes Muster erschafft.

Größe des Achat-Ausschnitts: 9 x 3,5 cm

Ahornblatt

Fotograf: Wilfried Werner

Das Ahornblatt weist den typischen Aufbau eines Laubblatts auf und besteht aus mehreren spezialisierten Schichten, die für die Fotosynthese und den Gasaustausch optimiert sind. Vom mittleren Blattstiel zweigen die Blattadern ab, die als komplexes Netzwerk in immer feineren Verästelungen aufgenommenes Wasser und Nährstoffe und produzierten Zucker transportieren.

Was wie ein wild verzweigtes Netz aus Adern erscheint, folgt einer strengen natürlichen Ordnung – jedes Gefäß im Ahornblatt ist nach einem präzisen Bauplan angelegt, damit aus dem scheinbaren Chaos ein perfekt funktionierender Lebensorganismus entsteht.

Größe des Blatt-Ausschnitts: 6 x 4 cm

Antimonit

Fotograf: Wilfried Werner

Antimonit ist eine chemische Verbindung aus Antimon (ein Halbmetall) und Schwefel. Es bildet häufig lange, nadelige oder stängelige Kristalle, die sich zu dichten Bündeln oder Verflechtungen anordnen. Die typische metallisch-graue bis blauglänzende Farbe entsteht durch den hohen Antimongehalt. Antimonit entsteht vor allem in hydrothermalen Lagerstätten, also unter hohen Temperaturen in mineralreichen Lösungen im Erdinneren.

Auf den ersten Blick wirkt dieses Geflecht aus silbrig glänzenden Strukturen chaotisch und zufällig. Doch hinter dem scheinbaren Durcheinander verbirgt sich strenge Ordnung: Antimonit bildet lange, nadelförmige Kristalle, die sich in mathematisch präzisen Winkeln verzweigen. Das Makro-Foto macht sichtbar, wie die Natur im Kleinen klare Strukturen erschafft – selbst dort, wo wir nur Wirrwarr erwarten.

So zeigt sich: Chaos ist oft nur eine Frage der Perspektive. Wer näher hinschaut, entdeckt ein verborgenes System.

Größe des Bild-Ausschnitts: 12 x 8 mm

 

Labradorit

Fotograf: Wilfried Werner

Labradorit ist ein Mineral aus der Familie der Feldspäte – einer der häufigsten Gesteinsbestandteile der Erde. Seine auffällige, schillernde Farbwirkung – die sogenannte Labradoreszenz – entsteht durch die Interferenz von Licht an ultradünnen, regelmäßig angeordneten Lamellen im Kristallinneren. Diese Strukturen bilden sich während langsamer Abkühlungsprozesse magmatischer Gesteine.

Was auf den ersten Blick wie ein wildes Netz aus Linien wirkt, folgt in Wirklichkeit einer verborgenen Ordnung: Im Inneren des Minerals Labradorit liegen mikroskopisch dünne Schichten eng übereinander. Wenn Licht darauf trifft, wird es in unterschiedlichen Winkeln reflektiert – so entstehen die leuchtenden Blau-, Gold- und Kupfertöne. Die scheinbar chaotischen Risse und Muster zeigen die Geschichte von Druck, Hitze und Bewegung tief im Erdinneren.

Dieses Bild macht sichtbar, wie die Natur inmitten von Unruhe und Veränderung ein System schafft – und daraus überraschende Schönheit entstehen lässt.

Größe des Bildausschnitts: 25 x 18 mm

Schmetterlingsflügel

Fotograf: Wilfried Werner

Ein Schmetterlingsflügel besteht aus einer dünnen Membran, die von Adern gestützt wird und dicht mit winzigen, überlappenden Schuppen bedeckt ist. Diese Schuppen sind modifizierte Haare aus Chitin und liegen in regelmäßigen Reihen angeordnet – ähnlich Dachziegeln. Ihre Farben entstehen durch Pigmente sowie durch mikroskopische Strukturen, die Licht reflektieren oder brechen und so optische Effekte erzeugen können.

Aus der Nähe wirkt die Flügeloberseite dieses Schmetterlings wie ein wirres Geflecht aus Farben, Linien und feinen Härchen. Doch der scheinbare Zufall folgt einer präzisen Ordnung: Millionen winziger Schuppen sind wie Dachziegel überlappend angeordnet und erzeugen das Muster, das wir aus der Ferne als gleichmäßige Farbe und Zeichnung wahrnehmen. Jede Schuppe erfüllt eine Aufgabe – sie schützt, isoliert und hilft bei der Tarnung oder Kommunikation.

Das Bild zeigt, wie sich die Natur aus unzähligen kleinsten Einheiten ein großes Ganzes erschafft: Ordnung wächst aus dem Chaos.

Größe des Bildausschnitts: 15 x 12 mm

Starenschwärme – wo Chaos in Ordnung aufgeht

Fotografin: Anja Sander

Mit etwas Glück kann man im Frühjahr oder im Herbst, in Küstenregionen wie Nord- und Ostsee, gewaltige Starenschwärme aus tausenden bis hunderttausenden Vögeln sehen, die in faszinierenden Formationen am Himmel tanzen bevor sie sich auf Schilf – oder Baumschlafplätzen niederlassen. Dieses Verhalten dient der Feindverwirrung und schütz somit vor Greifvögeln.

Im Starenschwarm entsteht aus scheinbarem Chaos eine Ordnung, die durch einfache lokale Regeln der Vögel hervorgebracht wird. Jeder Star orientiert sich an sechs oder sieben Nachbarn, hält Abstand, folgt ihrer Richtung und bewegt sich zum Schwarmzentrum – so entstehen wellenförmige Strukturen die sich zu Wolken, Bändern oder Kugeln verdichten.

Winterwald

Fotografin: Anja Sander

Im Wald zu fotografieren bedeutet, sich einer besonderen Herausforderung zu stellen.

Die vertikalen Linien der Stämme, die sich kreuzenden Äste und das dichte Geflecht aus Totholz und Unterholz scheinen auf den ersten Blick chaotisch und schwer zu bändigen. Erst durch die Konzentration auf das Wesentliche, das Auswählen kleinerer Bereiche oder die Reduktion der Farben gelingt es Ordnung in das Chaos zu bringen.

 

Glaskunst

Fotografin: Anja Sander

Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus Glas, durchzogen von unzähligen eingeschlossenen Luftbläschen.

In ihrer zufälligen Anordnung entsteht eine feine Struktur zwischen Unregelmäßigkeiten und wiederkehrenden Mustern. Das Material selbst steht für Klarheit und Stabilität, die Bläschen hingegen für Zufall und Bewegung.

Zusammen entsteht ein Spannungsfeld, in dem Chaos und Ordnung miteinander verbunden sind. Und doch baut sich, durch die Auswahl des Ausschnitts und die damit verbundene Anordnung der Bläschen, ein Gleichgewicht auf. Es entsteht ein ruhiger und ausgewogener Eindruck, der durch die harmonisch aufeinander abgestimmten Farben unterstützt wird.

 

Schlösser

Fotograf: Oliver Oster

Die Schlösser klammern sich an das Geländer, dicht gedrängt, schwer von Versprechen, Namen und Erinnerungen. Jedes für sich steht für eine Beziehung, für Nähe, für den Wunsch nach Beständigkeit. Zusammen wirken sie fast chaotisch – ein unüberschaubares Geflecht aus Metall, Zeit und Bedeutung.

Im Hintergrund fließt der große Fluss ruhig und unaufhaltsam weiter. Er verändert sich ständig, ohne seine Richtung zu verlieren. Wie Beziehungen selbst bleibt er nie stehen: Er trägt, trennt, verbindet und formt – manchmal sanft, manchmal mit Kraft.

Zwischen festem Verschluss und stetiger Bewegung entsteht ein Spannungsfeld: Ordnung im individuellen Versprechen, Chaos im kollektiven Ausdruck. Das Bild erinnert daran, dass Bindung und Veränderung keine Gegensätze sind, sondern Teil desselben Stroms.

 

 

Knospendolde

Fotograf: Ingo Langner

Noch ist nichts entschieden.
Die Knospen stehen dicht beieinander, verbunden durch feine Verzweigungen, die sich kreuzen, stützen und voneinander wegführen. Ein Geflecht aus Wachstum und Erwartung, aus Nähe und Abstand. Jede einzelne Form scheint für sich zu stehen – und ist doch Teil eines größeren Zusammenhangs.

Was zunächst wie ein unüberschaubares Durcheinander wirkt, folgt einer inneren Ordnung. Wiederholungen tauchen auf, Rhythmen werden sichtbar, Linien setzen sich fort. Das Chaos ist hier kein Zustand der Unruhe, sondern ein Moment kurz vor der Entfaltung. Ein Zwischenraum, in dem Möglichkeiten noch offenliegen.

Die Knospendolde zeigt Struktur nicht als starres System, sondern als lebendigen Prozess. Ordnung entsteht nicht durch Gleichförmigkeit, sondern durch Beziehung: durch das Zusammenspiel vieler kleiner Einheiten, die gemeinsam etwas Größeres vorbereiten.

Ein stiller Hinweis darauf, dass selbst im scheinbar Ungeordneten bereits alles angelegt ist.

Kristalle im polarisierten Licht – eine kurze Erklärung

Polarisiertes Licht ist Licht mit Ordnung: Seine Schwingungen verlaufen nicht mehr in alle Richtungen, sondern bevorzugt in einer Ebene.

Trifft dieses geordnete Licht auf einen Kristall, reagiert das Material auf seine ganz eigene Weise. Im Inneren vieler Kristalle ist die Struktur nicht überall gleich ausgerichtet. Dadurch wird das Licht abhängig von Richtung und Orientierung unterschiedlich beeinflusst: Seine Schwingungen werden verzögert, gegeneinander verschoben oder in neue Richtungen gelenkt. Diese winzigen Unterschiede bleiben für unser Auge zunächst unsichtbar.

Erst wenn das Licht den Kristall verlässt und durch einen zweiten Filter betrachtet wird, zeigen sich bunte Farben. Sie entstehen nicht durch Farbstoffe, sondern durch das Zusammenspiel (Interferenz) der veränderten Lichtwellen: Manche verstärken sich, andere löschen sich gegenseitig aus.

So macht polarisiertes Licht sichtbar, was sonst verborgen bleibt – die innere Ordnung des Kristalls, seine Wachstumsrichtungen und Strukturen. Physik übersetzt hier etwas Unsichtbares in Farbe.

Kristalllandschaft I – Aufbruch (Vitamin C)

Fotograf: Ingo Langner

Die Kristalle öffnen sich wie Fächer oder Schalen, als würden sie Raum beanspruchen. Linien streben auseinander, bleiben aber miteinander verbunden. Nichts wirkt zufällig, und doch scheint alles in Bewegung.

Diese Landschaft erinnert an einen Moment des Anfangs: Wachstum, das sich seinen Weg sucht, ohne zu wissen, wohin er führt. Ordnung entsteht hier nicht durch Stillstand, sondern durch Ausdehnung.
Chaos ist in diesem Bild kein Gegenspieler – es ist der Motor.

Kristalllandschaft II – Verzweigung (Vitamin C)

Fotograf: Ingo Langner

Feine Strukturen greifen ineinander, teilen sich, finden neue Richtungen. Die Wiederholung ähnlicher Formen erzeugt Rhythmus, fast wie ein visuelles Atmen.

Was wie ein filigranes Durcheinander wirkt, folgt einem inneren Plan. Jede Verzweigung ist konsequent, jede Linie Ergebnis eines vorhergehenden Schrittes.
Dieses Bild zeigt, dass Komplexität nicht aus Unordnung entsteht, sondern aus vielen einfachen Regeln, die gleichzeitig wirken.

Kristalllandschaft III – Strömung (Vitamin C)

Fotograf: Ingo Langner

Hier scheint alles zu fließen. Farben gehen ineinander über, Formen verlieren ihre Schärfe. Die Strukturen wirken weniger gebaut als bewegt – als hätte sich der Kristall selbst in einen Strom verwandelt.

Ordnung zeigt sich hier nicht als Geometrie, sondern als Richtung. Nichts steht still, doch nichts zerfällt.
Das Bild erinnert daran, dass Stabilität auch im Wandel existieren kann.

Kristalllandschaft IV – Verdichtung (Beta-Alanin)

Fotograf: Ingo Langner

Die Formen rücken näher zusammen, werden kantiger, dichter, spannungsvoller. Kontraste treten deutlicher hervor, Grenzen werden sichtbar.

Hier wirkt Ordnung strenger, fast widerständig. Sie entsteht aus Begrenzung und Druck.
Das scheinbare Chaos wird gezähmt – nicht durch Harmonie, sondern durch klare Trennung. Dieses Bild zeigt die andere Seite der Ordnung: Sie kann ruhig sein, aber auch kompromisslos.

Kristalllandschaft V – Gefüge (Beta-Alanin)

Fotograf: Ingo Langner

Mehrere Ebenen überlagern sich. Farbflächen stehen nebeneinander, ohne sich aufzulösen. Strukturen stoßen aneinander, halten Abstand, bleiben dennoch Teil eines Ganzen.

Diese Landschaft wirkt wie ein komplexes System, in dem jedes Element seinen Platz kennt.
Chaos erscheint hier nur dort, wo der Blick keinen festen Halt findet. Wer genauer hinsieht, erkennt ein Gefüge, das aus Balance lebt – nicht aus Gleichförmigkeit.

 

Abschluss

Die Kristalllandschaften zeigen keine Motive im klassischen Sinn. Sie zeigen Prozesse. Ordnung entsteht hier nicht trotz Chaos, sondern aus ihm heraus.
Die Bilder laden dazu ein, den Blick zu verlangsamen – und darin eine Schönheit zu entdecken, die nicht geplant wurde, aber unverkennbar ist.

Galerie

Nachfolgend findest Du alle Bilder der Ausstellung. Klicke ein Bild an, um es im Vollbildmodus zu öffnen.

 

 

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Text: Ingo Langner und  die ausstellenden Künstler